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Kann das Stromnetz der Zukunft sich selbst steuern?

In dem Projekt KI-Grid arbeiten Forschende von Universität und Fachhochschule Bielefeld daran, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) den sicheren und zuverlässigen Betrieb der erneuerbaren Stromnetze zu gewährleisten.

Für die Energiewende ist es zentral, dass die erneuerbaren Energien in die elektrischen Netze integriert werden. Dafür müssen Stromerzeugung und -verbrauch optimal aufeinander abgestimmt werden. In dem Verbundprojekt KI-Grid arbeiten Forschende mit künstlicher Intelligenz an einer Lösung. Dafür kooperieren die Universität Bielefeld, die Fachhochschule Bielefeld und die Westaflex GmbH in Gütersloh sowie als assoziierter Partner die Stadtwerke Bielefeld.

Bis zum Jahr 2025 soll gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ein Anteil von 40 bis 45 Prozent des deutschen Strombedarfs von erneuerbaren Energien stammen. Anders als Kraftwerke mit fossilen Energieträgern, wie zum Beispiel Kohle oder Erdgas, lässt sich die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien nur wenig beeinflussen. Meist kann Strom nur produziert werden, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. So kann es einerseits zu einem Engpass an Strom kommen, andererseits kann aber auch zu wenig verbraucht werden und ein Überangebot an erneuerbaren Energien kann das ausgeglichene Energiesystem stören.

„Um den sicheren und zuverlässigen Betrieb der erneuerbaren Stromnetze zu gewährleisten, entwickeln wir im Projekt KI-Grid eine intelligente Steuerung und Vernetzung“, sagt Professor Dr.-Ing. Ulrich Rückert, Leiter der Arbeitsgruppe Kognitronik und Sensorik der Universität Bielefeld. Er und sein Team, die Forschenden der Fachhochschule Bielefeld und die Mitarbeitenden des ostwestfälischen Unternehmens Westaflex GmbH arbeiten zusammen daran, wie mit nicht kalkulierbarem Strom speziell im verbrauchernahen Verteilnetz umgegangen werden kann. Dafür setzen sie künstliche Intelligenz (KI) ein.


Derzeit Risiko, dass Überlastungen zu spät erfasst werden

Neben mehr Energieerzeugern gibt es heute zusätzliche, leistungsstarke Energieverbraucher wie die privaten Elektrofahrzeuge. „Die meisten Menschen laden ihr Elektroauto zu Hause an ihrem eigenen Ladepunkt auf Niederspannungsebene“, sagt Martin Flasskamp, Koordinator des Projektes an der Universität Bielefeld. „Wenn mehrere Personen ihr Elektrofahrzeug an einem Niederspannungsstrang laden, ergibt sich eine hohe Auslastung. Netzausfälle sind dann nicht mehr unrealistisch.“

Auf Niederspannungsebene ist aktuell keine Messtechnik verbaut, die den aktuellen Netzzustand bestimmen kann. „Dies bedeutet, dass die Netzbetreiber*innen bei der Steuerung des Netzes auf wenig bis keine Daten zurückgreifen können und Überlastungen werden möglicherweise erst zu spät realisiert“, sagt Professor Dr.-Ing. Jens Haubrock vom Institut für Technische Energiesysteme an der Fachhochschule Bielefeld. „Wenn wir unseren Strom vollständig durch erneuerbare Energien produzieren und immer mehr Elektroautos nutzen wollen, ist es essenziell notwendig, herauszufinden, wie wir das elektrische Netz der Zukunft intelligent steuern können.“

Stromverbrauch auf aktuelle Gegebenheiten abstimmen

Kann das Elektrofahrzeug beispielsweise auch langsam geladen werden, sodass es erst am nächsten Morgen für die Fahrt zur Arbeit wieder vollständig aufgeladen ist, anstatt es abends mit voller Leistung und gleichzeitig mit denen aller Nachbarinnen und Nachbarn mit Strom zu „betanken“? Um die Komponenten des elektrischen Netzes zu steuern und aufeinander abzustimmen, arbeiten die Forschenden an einem KI-System, das den aktuellen Zustand des lokalen Stromnetzes abschätzt. Dafür entwickeln sie gemeinsam mit der Firma Westaflex eine intelligente Ladesäule, die die Eingangsdaten für das System bereitstellt. Das KI-System schätzt anhand dieser Daten, wie der aktuelle Zustand des Energienetzes ist und wie er sich verändert. Auf dieser Schätzung aufbauend kann das System die elektrischen Komponenten steuern. So sollten Waschmaschine oder Trockner zum Beispiel erst starten, wenn die Sonne am höchsten Punkt ist und die Photovoltaikanlage viel Energie liefert.

Mit dem Energieverbrauch der zugehörigen Häuser kann allerdings auch auf sensible Informationen über das Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohnern geschlossen werden. „Zum Beispiel wird aus den Daten deutlich, wer wann aufsteht, wann im Urlaub ist und wann den Fernseher oder die Waschmaschine anstellt“, sagt Martin Flasskamp. „Daher sollen die Daten von dem System vorverarbeitet und verschlüsselt übertragen werden und eine Verarbeitung nur dezentral bei den Nutzer*innen erfolgen.“

Die Mitarbeitenden der Gruppe Kognitronik und Sensorik der Universität Bielefeld entwickeln in dem Verbundprojekt den intelligenten Algorithmus und eine ressourceneffiziente Architektur. Die Forscher*innen-Gruppe vom Institut für technische Energiesysteme der Fachhochschule Bielefeld kümmert sich um den Transfer und die praktische Umsetzung. Zurzeit baut das Team einen virtuellen Prototyp und einen digitalen Zwilling des elektrischen Netzes in der Fachhochschule auf. Kern dieses Systems ist ein Echtzeitsimulator der Firma OPAL-RT, mit dem die zu erforschenden Aspekte geprüft werden. Erst danach kann das System auch am realen Netz getestet werden. Das große Ziel der beteiligten Projektpartner*innen ist es, eine ganzheitliche IT-Lösung für die Steuerung des Energienetzes zu entwickeln. „Wir alle können uns gut vorstellen, mit unseren erarbeiteten Methoden nach Projektende ein Unternehmen auszugründen“, sagt Martin Flasskamp.


Über das Projekt

Das Projekt „KI-Grid – Entwicklung und Validierung eines KI-basierten Systems zur autarken Steuerung von intelligenten zellulären Netzen“ startete im Januar 2020 und ist auf drei Jahre angelegt. Es wird durch das Programm IKT.NRW vom Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) des Landes Nordrhein-Westfalen mit rund 1,7 Millionen Euro gefördert, rund 750.000 Euro gehen an die Fachhochschule Bielefeld.

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